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Sinn und Unsinn von "Jahresgesprächen"

Ganz lieben Dank für die zahlreichen Klicks und Likes auf meinen letzten Artikel „Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich gegenseitig eine Chance geben“. Das große Interesse sowie die vielen Mails die ich dazu erhalten habe, bestätigen, dass gerade diese Herausforderung in vielen Unternehmen höchst aktuell ist.

Geben Sie sich gegenseitig also eine echte Chance! Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über dieses Thema und formulieren Sie die Entwicklung von Freude und Spaß an Ihren gemeinsamen Aktivitäten,

Projekten oder den Aufgaben im Tagesgeschäft als Ziel für das nächste Jahr, für die nächsten Monate und beginnen Sie jetzt gleich und sofort damit. Damit legen Sie den Grundstein dafür, mit Ihrem Team eine echte Traumfabrik, in der alle motiviert und engagiert zusammenarbeiten, aufzubauen.

Natürlich darf dieses Thema auch in den Zielvereinbarungsgesprächen, die ja in den größeren Unternehmen einmal im Jahr vorgeschrieben sind, nicht fehlen. Insgesamt ist dies ein komplexes Thema, heute möchte ich lediglich die Grundstimmung dieser Gespräche aufgreifen.

Häufig ist es leider so, dass sie nicht gerade zu einem motivierten Aufbruch beitragen, sondern vielmehr für alle Beteiligten nur anstrengend, unproduktiv und demotivierend sind. Das gilt vor allem und gerade dann, wenn wirklich nur dieses eine Zielgespräch im Verlauf eines Jahres geführt wird. In vielen Unternehmen ist das ja leider der Fall.

Wie aber soll eine Führungskraft mit einem Mitarbeiter ein realistisches Zielvereinbarungsgespräch führen, mit dem sie nur einmal im Jahr spricht? Nun höre ich Sie einwenden: „Das stimmt ja gar nicht, der Vorgesetzte spricht doch täglich mit dem Mitarbeiter.“ Selbst wenn das stimmen sollte, was in vielen Fällen leider zu bezweifeln ist, werden diese Gespräche meist viel eher das Tagesgeschäft betreffen als übergeordnete Ziele, und daher in dieser Hinsicht nicht weiterführen.

Damit möchte ich aber überhaupt nichts gegen die Jahresgespräche sagen, die ich absolut richtig und notwendig finde. Damit sie wirklich sinnvoll und zielführend sind, muss allerdings über die hier vereinbarten Dinge und deren Umsetzung im Arbeitsalltag mindestens monatlich, wenn nicht wöchentlich oder bei manchen Positionen und Aufgaben sogar täglich gesprochen werden. Nur dann kann eine Nachhaltigkeit und systematische Umsetzung der im Jahresgespräch besprochenen Festlegungen gewährleistet werden. Und vor allem ist die Führungskraft auch nur dann in der Lage, den Mitarbeiter wirklich realistisch einschätzen zu können. Eine Einschätzung aus der Distanz halte ich für mehr als fragwürdig.

Auch Hilfestellungen sollte die Führungskraft ihrem Mitarbeiter im Tagesgeschäft in Form solcher Gespräche immer wieder bieten.

In meiner Praxis erlebe ich sehr oft, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter mit ziemlichem Unbehagen auf diese vorgeschriebenen Jahresgespräche blicken. Beide Seiten bereiten sich darauf vor – füllen die in vielen Unternehmen vorgegebenen, meist zu umfangreichen, Einschätzungsbögen aus und gehen taktierend (das ist schon der größte Fehler) in die Verhandlung über die Einschätzung des Mitarbeiters sowie der daraus resultierenden Ziele und Aktivitätenplanung. Je seltener diese Gespräche stattfinden, desto größer ist der Anteil des Taktierens. In diesen Fällen ist ein Jahresgespräch eher kontraproduktiv.

Manche Führungskräfte neigen auch dazu, den Mitarbeiter bewusst bei den einzelnen Bewertungskriterien um eine Stufe schlechter einzuschätzen – nach dem Motto, „es muss ja auch noch Ziele geben“! Für den Mitarbeiter ist dies dann meist nicht nachvollziehbar und schon führt sich das System des Jahresgesprächs ad adsurdum. Demotivation entsteht (zu Recht), der Mitarbeiter geht auf Distanz und schon war es das, mit der motivierenden Zielvereinbarung.

Zudem ist es in der Regel so, dass die Führungskraft versucht, die Vorgaben des Unternehmens durchzusetzen, der Mitarbeiter dagegen die eigenen, persönlichen Interessen – er möchte ja z.B. so gut wie möglich bewertet werden und erreichbare Ziele vereinbaren. Je schlechter die Stimmung in diesem Gespräch ist, desto schwieriger wird es nun, einen gemeinsamen Nenner (mit dem beide Seiten wirklich einverstanden sind) zu finden. Schon aus diesem Grunde allein kann die ganze Geschichte in vielen Fällen nicht wirklich nachhaltig funktionieren. Dabei kommt weder für die Führungskraft noch für den Mitarbeiter das Gewünschte heraus, und auch nicht für das Unternehmen. Denn was passiert anschließend?

Jeder der Beteiligten wird versuchen, seine Ziele irgendwie zu erreichen, anstatt mit dem anderen an einem Strang zu ziehen und gemeinsame Ziele zu verfolgen. Und dieser Weg führt natürlich nicht zu Ihre Traumfabrik!

Manchmal ändern sich die Umstände zudem; dann wäre es möglicherweise günstig und für das Unternehmen produktiver, Ziele anzupassen. Das muss gar nicht unbedingt lediglich die Korrektur von Zielen nach unten bedeuten.

Eine Führungskraft, die ich betreute, hatte in ihrem Jahresziel verankert, in einem speziellen Produktsegment Marktanteile zu gewinnen. Dies wurde auch konkret beschrieben, soweit war alles in Ordnung. Allerdings brach anschließend im Laufe der nächsten 12 Monate genau dieses Produktsegment im gesamten Markt kräftig ein, also auch bei den Wettbewerbern des Unternehmens. In einem anderen Segment stieg dafür die Nachfrage überraschenderweise enorm. Das stand nun natürlich nicht in den Zielen, denn es war ja nicht vorauszusehen gewesen. Die Führungskraft versuchte nun gemeinsam mit ihrem Team bis zum Schluss alles, um das in den Zielen verankerte Produktsegment zu pushen (und damit nicht zuletzt ihre Prämie zu retten). Es kam, wie es kommen musste, das Ziel wurde meilenweit verfehlt – und da der Mann mit seinem gesamten Team auf dieses Ziel konzentriert war, konnte er logischerweise auch von dem aufstrebenden Marktsegment nicht profitieren.

Es ist also jedem Unternehmen, in dem diese obligatorischen Jahresgespräche die einzigen Führungsaktivitäten bilden, dringend anzuraten, ihre Führungsstrategie zu ändern.

In kleineren mittelständischen oder Kleinbetrieben besteht dieses Problem der Demotivation durch Jahresgespräche meist nicht. Allerdings sind in der Folge hier oftmals überhaupt keine Zielformulierungen vorhanden. Aber auch in diesen überschaubareren Strukturen sind klare Ziele selbstverständlich notwendig, ebenso wie regelmäßige Mitarbeitergespräche. Wenn Sie hier in Ihrem Arbeitsbereich ein Manko erkennen, sollten Sie das unbedingt ändern!

Text und Inhalt: Edwin Prelog © 2017

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